Witcher 3: Wild Hunt

Zuerst ein bisschen Statistik 😉
Ich habe das Spiel insgesamt drei Mal durchgespielt, in diesem Jahr von Januar bis März zum zweiten Mal mit den Erweiterungen, und diesmal ist wirklich kein Quest mehr übrig: Sämtliche Gwentkarten sind gesammelt. Das Ritterturnier in Toussaint wurde mit Glanz erledigt. Geralt hat beide Gwentturniere und alle Boxkämpfe gewonnen. Yay!
Infolge GoG Galaxy habe ich Witcher 3: Wild Hunt seit dem Erscheinen vor acht Jahren 1143 Stunden und 34 Minuten gespielt. Bei diesem (bislang) letzten Mal habe ich 1330 Sceenshots gemacht, und insgesamt gibt es sicher über 3000.
Das dürfte in etwa illustrieren, wie ich zu dem Spiel stehe.

Wenn man auf Google »Witcher 3: Wild Hunt« eingibt, erhält man 22 Millionen Ergebnisse. Das Spiel von CD Projekt Red wurde 40 Millionen Mal verkauft, und ist eines der erfolgreichsten Spiele aller Zeiten.

Seit diesem Jahr gibt es ein NextGen-Update von über 30 Gb, das ich leider nicht testen kann, weil das Spiel nach dem Update auf meinem PC nicht einmal starten will, und ich nicht den Nerv habe, mich damit zu befassen.
Letztens las ich von einem möglichen Remake von Witcher 1, wofür ich mir – wenn das realisiert wird – auch noch einen neuen PC zulegen würde.

Bei 22 Millionen Einträgen zum Thema muss man sich natürlich fragen, ob die Welt noch einen Kommentar zu Witcher 3 braucht, aber da ich gerade erst aus Toussaint zurückgekehrt bin – beseelt und melancholisch – nehme ich mir einfach die Freiheit: Wenn es keinen wirklichen Grund mehr gibt, in der Witcher-Welt zu verweilen, kann ich immerhin noch darüber schreiben.

Mein erster nie vollendeter Kommentar zu Witcher 3 ist von 2015. Ich wusste damals und weiß im Grunde heute immer noch nicht, was genau ich schreiben soll, will und worüber. Das Spiel ist ein wahres Füllhorn an Emotionen, Action und Erzählkunst, und ich fühle mich einigermaßen überfordert, da eine sinnvolle Klammer drumherum zu setzen, im Sinne von: Schaut her, ihr Leut’, geiles Spiel aus diesem und jenem Grund, Punkt, fertig.
Ich könnte nur stammeln von den wunderbaren Dingen, die ich gesehen und erlebt habe (und dabei verdammungswürdig spoilern).

Vor ein paar Tagen hatten wir einen Austausch beim Kaffee zum Thema »Fan-Scharmützel« in Fb-Gruppen, und ich kam für mich zu dem Schluss, dass ich im Falle von The Witcher absolut nicht neutral bin, aber immerhin davon absehe, andere wegen anderer Meinungen dazu ermorden zu wollen.

Ich kann verstehen (nein, nicht wirklich, aber trotzdem), warum man das Spiel nach der ersten halben Stunde wieder zuklappt und sich fragt, ob man sich wirklich darauf einlassen sollte: Witcher 3 erfordert viel Zeit und Hingabe – ein typisches RPG von der wirklich intensiven und langen Sorte, das man sicher mit Fokus auf Kampf und Action auch im Schnelldurchlauf spielen kann, wobei einem aber wohl vermutlich vieles entgeht, was mich persönlich daran so verzaubert.
Im Grunde lohnt es sich unter zwei Stunden nicht, überhaupt einzusteigen, und wirklich gut wird es erst dann, wenn auch vier oder sechs Stunden bis morgens um drei keinen Unterschied machen: Dann hat man die Muße, wirklich hinzuhören, sei es in Dialogen oder bei den Gesprächsfetzen, die einen auf der Straße anwehen. Nur dann kann man sich die Zeit nehmen, einen Weg zu Fuß oder zu Pferd in etwas zurückzulegen, das sich wie Echtzeit anfühlt, während man dem Wind in den Bäumen lauscht und sich einbilden kann, die Wärme der Abendsonne oder den peitschenden Regen auf der eigenen Haut zu spüren.

Klar, die Quests sind wichtig (das muss man nicht erklären), aber bei Witcher 3 ist es für mich ebenso der emotionale und atmosphärische Leim, der die ganze Sache zusammenhält. Spätestens bei der Erweiterung Blood&Wine in Toussaint angekommen, ist das einfach nur noch das pure Spielerglück: Man möchte sich auf der Stelle ein Haus unter dieser ultramediterranen Sonne kaufen, den Kontrast zwischen gelben Sonnenblumen und terrakottafarbener Hauswand aufsaugen, und für alle Ewigkeiten mit dem Haushofmeister bei erlesenen Weinen auf der Terrasse Gwent spielen. Oder zumindest jedes Mal dann, wenn man gerade vom Monsterschlachten oder von einer Unterredung mit der Herzogin zurückkehrt, und bevor man wieder aufbricht, um zusammen mit Vampirkumpel Regis das Herzogtum zu retten.

Witcher 3 ist durch und durch romantisch. Ein schwindelerregend attraktiver Held pflügt sich wortkarg und schlagkräftig durch die Ereignisse, und wenn er dann mal so etwas wie Gefühle preisgibt, könnte man glatt vor dem Bildschirm zerfließen. Ach. Genau so wollen wir unsere Helden haben: aufrichtig, eigensinnig und sexy.
Weil ich nicht nur Witcher 1, 2 und 3 mehr als einmal gespielt, sondern auch Andrzej Sapkowskis Witcher-Saga zwei Mal gelesen habe, fühle ich mich berechtigt, zu behaupten, dass die Entwickler einen phantastischen Job gemacht haben, um die Atmosphäre der Bücher einzufangen.

Geralts Schicksal wird von einer Märchenwelt umrahmt, die ihn selbst zu einem Märchenhelden macht, was ganz explizit als Motor des Erzählens genutzt wird. Ich persönlich kenne sonst kein Spiel mit so durchgehend guten Dialogen und so geschmeidigen Überleitungen (infolge der englischen Wikipedia umfasste das Script 450.000 Wörter für 950 Sprechrollen, die im Laufe von drei Jahren aufgezeichnet wurden).
Es gibt sonst kein Spiel, bei dem ich so viel aus ganzem Herzen gelacht habe.
Ja, es müssen Feinde und Monster erledigt werden. Es gibt Gesellschaftskritik und moralische Entscheidungen. Aber was das Spiel so einzigartig macht, das ist der märchenhafte Ton, optisch ebenso wie dramaturgisch. Das sind die Dialoge mit Freunden und Feinden. Das sind die Nebenquests, die – mal kämpferisch, mal rührend, mal witzig, mal melancholisch – den Alltag eines ewig vom Pleitegeier umkreisten Monsterjägers illustrieren.

Wenn man dafür keine Zeit hat, und nur das schnelle Erledigen einer Hauptstory und zügige informative Dialoge wünscht, dann ist Wild Hunt vermutlich zu viel von allem.
Wer so veranlagt ist wie ich (und die Zeit hat), kann sich darin völlig verlieren und vergießt am Ende ein paar unsichtbare Tränen, weil es – mal wieder, bis zum nächsten Mal, vielleicht – vorbei ist.

———

Alles, was es über Witcher 3: Wild Hunt zu wissen gibt, findet man hier (Englisch): https://en.wikipedia.org/wiki/The_Witcher_3:_Wild_Hunt

Titelbild: Geralt hat Bekanntschaft mit Pilzen gemacht, und sein Pferd kann plötzlich sprechen (Blood&Wine, Screenshot)

Kommentieren

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Erstelle eine Website oder ein Blog auf WordPress.com

Nach oben ↑