Kingdom Come: Deliverance

Solide Optik, sehr gut animierte NPCs mit glaubwürdigen Dialogen, authentische Atmosphäre im Geist des 14. Jahrhunderts, eine engagierende Geschichte mit ganz vielen Details zur realen Historie, samt der Tatsache, dass es in Böhmen spielt, der Heimat meiner Oma – das Spiel hätte mein nächster Favorit werden können.
alas …

Man ahnt es schon beim sich über Stunden hinziehenden Tutorial, was einen erwarten wird, und all dies bestätigt sich dann auch, wenn man den schützenden Rahmen verlässt und fortan auf sich alleine gestellt ist.
In gewisser Weise ist KCD die bessere Version von Medieval Dynasty (2020), einem Mittelalter-Survivalspiel, in dem der Kampf nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Wie MD konfrontiert KCD einen mit Hunger und Müdigkeit, mit zerschlissenem Equipment und verrottender Nahrung, der Notwendigkeit eines Schlafplatzes, der Wichtigkeit eines guten Rufs, strengen Strafen bei Verbrechen und der Aussicht auf sehr, sehr viel Einsatz in realer Zeit, falls man jemals über die Stufe des tumben Bauernlümmels unter Adligen hinauskommen will.
All das ist ok. Spiele wie Gothic, Skyrim oder die alten isometrischen RPGs sind auch nicht an einem Nachmittag erledigt.

Was die Macher allerdings geritten hat, eine (am PC) derart komplizierte Steuerung im Kampf und derart komplizierte Systeme beim Taschendiebstahl oder Schlösserknacken mit einem Speichersystem zu kombinieren, das die Speicherung entweder nur (selten) automatisch vornimmt, oder an bestimmte Orte gebunden ist, bzw die Möglichkeit, selbst einen Speicherort zu bestimmen, vom Vorhandensein eines bestimmten Schnapses abhängig macht (der natürlich nicht gerade häufig vorkommt, und bei übermäßiger Anwendung außerdem die Gefahr des Alkoholismus beinhaltet), das ist mir ein Rätsel und gleicht in meinen Augen noch einem abschließenden Arschtritt für die Spieler.
Glücklicherweise gibt es dafür einen Mod, der das Speichern jederzeit erlaubt, sonst hätte ich vermutlich gleich nach dem Tutorial aufgegeben, und auf jeden Fall nie versucht, jemanden zu beklauen oder ein Kistenschloss zu knacken, aus Sorge, erwischt zu werden und gleich am Pranger zu landen.

Der Mod macht das Spielen etwas entspannter, aber letztlich dann doch nicht wirklich gut. Die ersten Trainingsstunden mit Schwert und Bogen erinnern mich an die Zeiten von Good Old Lara Croft, als Erfolg oder Misserfolg noch von virtuosem Tastengefummel abhing, und sie versprechen endloses, tatsächliches Trainieren mit der Steuerung.
Nichts, aber auch wirklich gar nicht ist bei KCD einfach. Sogar ein simples Würfelspiel hat derart komplizierte Regeln, dass ich davon dankend Abstand nehme, und wie Diebstahl oder Schlösserknacken funktioniert, hätte ich ohne Youtube auch nie begriffen. Die Tutorials im Spiel bestehen aus Unmengen Text, die einem auch wieder nur sagen: Nimm das, und das, und das, und wenn du dann immer noch dabeibleibst, erst dann bist du ein wahrer Held.

Als letztes habe ich mir gestern noch einen Hund aufschwatzen lassen, um den ich mich in Zukunft auch noch kümmern muss (er braucht Fleisch und Zuspruch und Erziehung, Letzteres ein eigener Skill, extra für Hunde), und es steht ein Jagdausflug bevor mit jemandem, den man aus ganzem Herzen verabscheut (so richtig, in diesem Punkt ist das Spiel wirklich gut), und zwar bei Sonnenaufgang am nächsten Morgen (nicht etwa an einem nächsten Morgen). Ein Ereignis, dem ich wirklich nicht mit Freude entgegensehe.

Ich habe inzwischen 24 Stunden in das Spiel investiert, und darum ärgert es mich, es aufzugeben. Aber mir ist klar, dass die wirklichen Frustrationen erst noch bevorstehen, wenn es an den echten Kampf geht, und letztlich komme ich zu dem Schluss, dass mir eine derart ausufernde Realitätssimulation einfach zu viel ist.

Kingdom Come hat was, und ich bin sicher, dass man irgendwann später im Spiel – nachdem man über Wochen die Hälfte des eigenen realen Lebens ins Üben investiert hat – grandiose Momente erleben wird, aber ich bin einfach nicht die Sorte von Spielerin, die ihre Motivation aus konstanten Erniedrigungen bezieht, oder daraus, dass wirklich jeder Aspekt des »täglichen Lebens« eine Hürde darstellt, mit der man sich befassen muss, falls man überleben möchte.

Vermutlich ist es an der Konsole mit der Steuerung einfacher, für den PC kann ich das Spiel wirklich nicht empfehlen, falls man nicht enorm viel Zeit zu investieren hat und außerdem extrem frustrationsresistent ist.


Kingdom Come: Deliverance, Warhorse Studios, 2018
Titelbild: Screenshot

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